Fabienne Brugger war während ihrer vierjährigen Ausbildung zur Sozialpädagogin als pädagogische Mitarbeiterin in der Heilpädagogischen Schule Aarau tätig. Passend zum Jahresmotto "Bewegte Schule" schrieb sie ihre Diplomarbeit zum Thema Bewegungsförderung und erarbeitete eine Unterrichtssequenz, bei welcher die gemeinsame Unterrichtsgestaltung und die Mitbestimmung im Vordergrund stehen.
Mit Fragebögen eruierte Fabienne Brugger in einem mehrstufigen Prozess, welche Art von Bewegung am geeignetsten für die Kinder der heilpädagogischen Klasse ist. Dabei wurden verschiedenste Faktoren wie Ort, Zeit, aber auch Materialien, Geräte und Kleidung ausgewertet. Daraus resultierte eine Schullektion mit dem Namen "Bewegungskönige".
Essenziell für die Durchführung der Lektion ist die Erstellung eines Bewegungsordners. Die Mitarbeitenden der Schule wurden fotografiert, wie sie Bewegungsspiele und -übungen zu zweit oder in der Gruppe durchführen. Die Fotos bilden bewusst nicht Schüler ab. Zu gross wäre die Gefahr, dass die Schülerinnen ein Spiel aus dem Ordner nur auswählen, weil auf dem Foto die beste Freundin oder der beste Freund zu sehen ist. Die Spielideen für den Bewegungsordner, welcher nach Belieben ergänzt werden kann, wurden partizipativ mit den Schülerinnen und Schülern sowie dem Schulteam ausgewählt. Im Ordner befinden sich der Ablauf und die Spiele. Auf den Seiten mit den Spielvorschlägen sind zudem der Titel des Spieles und das dazugehörige Piktogramm, das benötigte Material und Bilder von der Durchführung zu sehen. Der Bewegungsordner soll auch nach Abschluss der Projektphase Verwendung finden und fester Bestandteil im Bewegungsraum werden.
Nun zum Spiel: Während der Projektphase wurden jede Woche drei Lektionen mit sechs Teilnehmenden durchgeführt. Die Kinder versammelten sich im Kreis sitzend. Vor jeder Lektion singen sie ein Lied und bewegen sich dazu. Das Einstiegsritual vermittelt Halt, Sicherheit und Orientierung. Denn für Menschen mit einer Beeinträchtigung ist Struktur im Alltag sehr wichtig. Nach dem Einstieg erfolgt das eigentliche Spiel. Die Durchführung orientiert sich an der beziehungsorientierten Bewegungspädagogik. Das gemeinsame Bewältigen einer Aufgabe sowie die Stärkung der Beziehung zu sich selbst stehen im Fokus. Zu Beginn wird der oder die Bewegungskönigin gewählt. Sie oder er darf das Programm bestimmen. Alle Fotos von den Teilnehmern befinden sich in einem orangen Beutel. Das Kind, welches zuletzt Bewegungskönigin war, darf ein Foto ziehen. Die Schülerinnen und Schüler kennen das Gefühl, für eine gewisse Zeit «ein besonderes Kind zu sein». Denn in der Mittelstufe ist jede Woche eine Schülerin oder ein Schüler «das Kind der Woche» und darf Spiele oder Aufgaben wählen. Davon abgeleitet entstand auch die Idee zu "Bewegungskönige". Die ausgewählte Bewegungskönigin darf die Krone aufsetzten und wählt anschliessend aus dem Bewegungsordner selbstbestimmt ein Spiel. Anschliessend werden die Kinder in Zweiergruppen aufgeteilt. Jede Schülerin und jeder Schüler wählt sein "Gspändli" für das Spiel selbst. Sie entscheiden, ob ihr Gegenüber ähnliche oder andere Voraussetzungen haben soll. So erhält während allen Sequenzen die Selbstbestimmung eine hohe Gewichtung. Die ausgewählte Übung darf nun von den Zweiergruppen individuell gestaltet und ausprobiert werden. Richtig oder falsch gibt es nicht. Die Kinder sollen sich wohlfühlen und wenn jemand eine Aufgabe als zu schwierig erachtet, wird unterstützt oder die Aufgabe angepasst, so dass alle die Übungen gut meistern können. Gegen Ende der Sequenz helfen alle beim Aufräumen.
Kurz bevor die Bewegungslektion zu Ende geht, gibt es eine Feedbackrunde. Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern werden mit Hilfe von Piktogrammen zwei Fragen gestellt: "Was hat dir gefallen? Was wünschst du dir?" Piktogramme sind während dem ganzen Spiel enorm wichtig, weil die intentionale und symbolische Kommunikation verstanden wird und sie die bestmögliche Unterstützung bieten. Kinder brauchen Bewegung, aber auch Ruhe und Entspannung. Zum Abschluss dürfen sich die Schülerinnen und Schüler unter ein Tuch legen und die Betreuungspersonen winden mit dem Tuch langsam über ihre Köpfe. Dazu läuft leise Musik. Nach zwei Minuten wird die Musik leiser und die Schülerinnen und Schüler gehen zurück in die Klasse.
Fabienne Brugger hat mit ihrer Abschlussarbeit sowohl die Schulleiterin als auch die Prüfungsexperten der Hochschule überzeugt und die Ausbildung zur Sozialpädagogin erfolgreich abgeschlossen. Besonders freut sie sich, dass dabei ein Spiel entstanden ist, welches bei den Schülerinnen und Schülern auf viel Anklang stösst. Denn alle Kinder, die während der Projektphase an den Lektionen teilnahmen, haben im Feedbackformular angegeben, dass sie das Spiel gerne wieder machen würden.
Autorin: Fabienne Brugger